Im Restaurant Emiko in München auf der Speisekarte habe ich zum ersten Mal eine Jizo-Statue gesehen. Das kleine Steinmännchen hat es mir sehr angetan, wie es verträumt und moosüberwachsen zwischen den Bäumen steht. Ich beschloss, den Jizos auf die Spur zu gehen. Wer sind diese mönchsgleichen Figuren mit ihren kahlgeschorenen Köpfen und den gestrickten Mützen und Lätzchen? Sie beschützen die Kinder, die Reisenden und Pilger. Darum findet man sie oft an Strassenrändern. Bei weiterem Nachlesen finde ich heraus, dass Jizo dem Glauben nach ungeborenen Kinder, ob Fehlgeburt oder abgetriebene Föten, ins Jenseits begleiten. Damit sie die schutzlosen Seelen finden, binden Eltern den Statuen Babylätzchen um. Am Geruch des persönlichen Gegenstands soll der Jizo das Kind schneller erkennen.
Auf Miyajima, der Insel der Götter, findet man im unteren Teil des Berges nagelneue, vergnügt spielende Jizo-Statuen. Bei einigen Figuren liegen 1-Yen-Münzen. Das soll Glück bringen. Ich habe die modernen Jizos mit Freude fotografiert, war aber im geheimen auf der Suche nach dem Jizo vom Menükartenbild. Wären wir länger als nur einen Tag auf Miyajima geblieben, hätte ich weiter oben am Inselberg hunderte von Statuen entdecken können. Ein Grund, um zurückzukehren!
In Kyoto gilt der Philosophenweg als bester Platz für Jizo-Jäger. Beim Start der Route steht ein kleines Holzhaus mit gesichtslosen Statuen. Sie sehen eher aus wie ein simpler Stein. Nur die Schürze und die Kappe lassen ein Jizo vermuten. Auf der anderen Flussseite standen plötzlich Jizos, wie ich sie suchte. Aber aus Holz. Wir betraten den kleinen Showroom eines sympathischen Ehepaars. Der Meister schnitzt diese Figuren, welche als Glücksbringer beliebt sind. Ich habe mir einen Jizo mit dem Titel «very happy» (sehr glücklich) gekauft. Er steht jetzt auf meinem Nachttischchen. Der Spaziergang in diesem Aussenquartier von Kyoto ist sehr zu empfehlen, nur mein Moosmännchen war aber nicht da.
Die Antwort liegt tief in den Bergen
Über die Bildsuche bei Google fand ich schliesslich den Standort meiner gesuchten Statue. Zum Sanzen-in Tempel in Ōhara in den Bergen Kyotos gelangt man in einer einstündigen Busreise. Wie das Postauto in den Bündner Bergen fährt der Bus durch kleine Dörfer immer weiter ins Tal hoch. Nur schon um diese friedliche Landschaft zu sehen, hat sich die Reise gelohnt. Nur wenige ausländische Touristen verirren sich hierhin. Alles ist gemütlicher, einfacher und urchiger.
Die Tempelanlage ist weitläufig und bietet eine Terrasse um sich hinzusetzen und in Ruhe den japanischen Garten zu betrachten. Ich war aber so gespannt, wo ich jetzt meinen Jizo finden werde, dass ich keine Musse hatte, um mich lange hinzusetzen.
Als ich im Tempel-Park die magische Landschaft durchstreife, ist mir richtig feierlich zu Mute. Da! Da ist das Männchen, das ich so lange gesucht habe. Neben ihm stehen zwei Geschwister, welche zufrieden aus dem Moos schauen. Ein anderer Jizo liegt verträumt auf dem Bauch. Hier verweile ich lange und geniesse die Atmosphäre.
Wem die Stein- und Holz-Jizo auch so gut gefallen, wie mir, dem kann ich den Philosophenweg und eine Fahrt zum Sanzen-in in Ōhara sehr empfehlen. Miyajima ist als Gesamterlebnis unbedingt einen Besuch wert. Bis sich beim weltberühmten Tor im Meer das Wasser genug weit zurückzieht, damit es bei einem Spaziergang keine nassen Füsse gibt, ist eine Wanderung zu den Jizos auf dem Berg das perfekte Zwischenprogramm.